Hartz IV: Ex-Mitarbeiterin packt über Methoden im Jobcenter aus

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Deutschland diskutiert seit Jahren über Hartz IV.
Susanne Willach (52) hat ihre eigenen Erfahrungen damit gemacht. Sie hat zehn Jahre beim Jobcenter gearbeitet. Fünf Jahre davon als Arbeitsvermittlerin. Über ihre Zeit im Jobcenter sagt sie: „Beim Jobcenter geht es nicht um Menschen, es geht darum, Statistiken zu erfüllen.“
Hartz IV sei ihren Erfahrungen nach wichtig für Deutschland, es müsse nur an der Handhabung dringend gearbeitet werden. Die Ex-Jobcenter-Mitarbeiterin erklärt: „Es werden Gelder verschwendet an Bewerbungstrainings, an Maßnahmen, die nicht zielführend sind.“
Konkret nennt sie ein Beispiel. Im vergangenen Jahr habe es ein großes Jobspeeddating gegeben. Über 700 Jobcenter-Kunden seien eingeladen worden, um mit Firmen für mögliche Stellenangebote in Kontakt zu kommen. Im Vorfeld hätten die Jobcenter-Kunden ein Bewerbungstraining als Maßnahme bekommen. Soweit, so gut.

„Mussten Kunden Bewerbungstraining aufbrummen!“

Doch im Anschluss an das Event seien dem Jobcenter weitere Gelder bewilligt worden, erzählt sie. „Die mussten raus. Wir mussten jedem Kunden ein Bewerbungstraining aufbrummen, egal, ob er schon da war oder nicht!“
Ein weiteres Beispiel, wie laut Willach Haushaltsmittel verballert werden: Bei Lehrgängen des Jobcenters für angehende Lagerarbeiter sei ein Gabelstaplerführerschein, der dafür förderlich wäre, nicht in der Maßnahme vorgesehen gewesen. Die Kunden hätten häufig dafür kämpfen müssen.

Jobcenter widerspricht den Aussagen der ehemaligen Mitarbeiterin

Dem widerspricht das Jobcenter: „Es handelt es sich um Steuergelder, deshalb schauen wir natürlich genau, was passt zu jemandem. Dazu ergreifen wir viele verschiedene Maßnahmen. Aber der Staplerschein ist in der Regel kein großes Problem“, so Katrin Hugenberg, Pressesprecherin des Jobcenter Duisburg.
Beim genannten Speeddatingevent hätten die Kunden im Vorfeld einen dreitägigen Bewerbungskurs absolviert, in dem ein Bewerbungsflyer angefertigt wurde. „Das Speeddating war kein klassisches Bewerbungsgespräch. Hier ging es darum, sich in zehn Minuten beim potentiellen Arbeitgeber vorzustellen. Das ist etwas ganz anderes wie ein normales Vorstellungsgespräch“, so Hugenberg.
Sie bestätigt, dass es im Nachgang im Einzelfall erneut zu Bewerbungstrainings gekommen sei. Dabei habe es sich aber um individuelle Seminare mit Themenschwerpunkten gehandelt.
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Sanktionen notwendig, treffen aber die Falschen

In den letzten Wochen waren Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger, die verlangte Maßnahmen des Jobcenters ausschlagen, diskutiert worden. Susanne Willach hat dazu eine klare Meinung: „Sanktionen sind notwendig, um manche Menschen dazu zu bewegen, sich nicht auf Staatskosten auszuruhen. Leider trifft es aber auch Menschen, die sich nicht gegen einen Arbeitsvermittler behaupten können.“
Ihrer Erfahrung nach seien die allerwenigsten Jobcenter-Kunden Schmarotzer, die nicht arbeiten wollen. „Vielleicht zwei Prozent sind arbeitsunwillig. Die meisten wollen arbeiten. Wenn man sie an der Hand nimmt, wuppt das von ganz alleine.“

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