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Das System Hartz IV kennt Menschenwürde nur begrenzt

 Vollständiger Quelltext: http://qpress.de/2013/04/24/inge-hannemann-das-sandkorn-im-hartz-iv-getriebe-suspendiert/
"Es bleibt ein interessanter Vorgang, dessen Ausgang uns weiteren Aufschluss darüber erlaubt, wie sehr Menschen bereit sind andere Menschen zu drücken, nur um selbst keine Nachteile erleiden zu müssen und das System zu schützen. Das Phänomen ist hinlänglich bekannt und feierte bereits mehrfach in der Geschichte, nicht nur in Deutschland, seine Exzesse."

Inge Hannemann, das Sandkorn im Hartz IV Getriebe

[qpress.de ...] Drückung und Sanktion gilt heute als Erfolg

Wenn es so ist, wie man nicht nur von ihr erfahren kann, dass Drückung und Sanktion die Erfolgskriterien des Amtes sind, dann kann man schneller darauf kommen. Sofern sie beispielsweise durch ihre persönlichen Einsichten zu einem ungerechten System, sie von einer vorgegebenen Handlungsnorm abweicht und nicht dem Durchschnitt des Amtes entsprechend „Erfolge“ generieren kann. Erfolge in diesem Sinne sind womöglich die Anzahl und auch betragsmäßig bewertbare Sanktionen, die das Budget des Amtes entlasten. Unter diesem Blickwinkel könnte sie ernsthaft versagt haben und der Fall wäre schon um einiges klarer.

Letzteres ist gemutmaßt, aber wenn man sich Statistiken dazu ansieht und wie frenetisch die von Amtswegen gefeiert werden, allein im letzten Jahr über 1 Million betragsmäßiger Sanktionierungen von Hartz IV Beziehern, dann wird die Geschichte schon verständlicher. Sie schafft womöglich die Amts-Norm nicht, weil dies mit ihrem Gewissen kollidiert. Die Mehrheit der Jobcenter Mitarbeiter scheint den nötigen Stumpfheitsgrad mühelos erklommen zu haben, sonst hätte man bestimmt schon mehr Kritik dazu öffentlich vernommen.

Wie dem auch sei, arbeitsrechtlich ist dies immer noch problematisch, es sei denn das Amt kann so eine Art Eingliederungsvereinbarung mit dem Mitarbeiter vorweisen, in der er sich zu einer bestimmten Anzahl an Sanktionen gegenüber Hartz IV Beziehern verpflichtet. Ist das witzig? Nun, die würde aber wohl auch bei einem Arbeitsgerichtsverfahren wohl nicht wirklich auf den Tisch kommen, aber der Gedanke ist doch verlockend. Ergo, hat das Amt mit Hannemann ein dickes Problem und die Öffentlichkeit dankenswerterweise endlich einen vertieften Einblick in die Basis und Untiefen eines solchen Amtes.

Und genau an dieser Stelle darf man einmal zum Rundumschlag ausholen und sollte allen Mitarbeitern eines Jobcenters wünschen, selber für den Zeitraum von mindestens einem Jahr SGB II abhängig zu sein. Wäre die Mehrzahl der Mitarbeiter dort nicht so stumpf und angepasst, dann wäre Inge Hannemann nicht vom Dienst freigestellt worden und wir wüssten noch erheblich mehr von den Missständen dort. Aber Feigheit und Kuscherei, nur die Sicherheit des eigenen Jobs vor Augen, hat einfach absolute Priorität wie es scheint und ist ein Trend der sich verstärkt. Angst als Motiv zum Klappe halten. Oder sollte dort doch alles in völliger Ordnung sein und nur Inge Hannemann an Wahrnehmungsstörungen leiden? Allerdings sind Ihre Aussagen einfach zu schlüssig und richtig, als dass man ihr solches bescheinigen möchte.

Das System Hartz IV kennt Menschenwürde nur begrenzt

Ohne dieses Thema jetzt großartig ausbreiten zu wollen, sei angemerkt,
dass es vielerlei entwürdigende Praktiken von Amtswegen gibt, denen sich SGB II Bezieher unterwerfen müssen, um sich nicht der Gefahr von Sanktionen auszusetzen. Immer schwebt der Pauschalverdacht im Raum, es könne sich doch um Betrüger handeln. Eines dieser Details ist beispielsweise die regelmäßige Vorlage der Kontoauszüge. Die Betroffenen könnten irgendetwas zu verbergen suchen, oder am Amt vorbei erwirtschaftet und in betrügerischer Absicht nicht angemeldet haben. Vertrauen war gestern, Kontrolle ist heute und es ist eine wunderbare Einübung des Überwachungsstaates.

Dabei schockt auch niemanden mehr, dass viele Menschen die Vollzeit arbeiten, noch zum Amt rennen müssen, um das Mindestmaß für den Lebensunterhalt sichergestellt zu bekommen. Diese Verfehlungen werden einfach den Menschen angelastet, ihrer Faulheit und ihrem Sinn für kriminelle Energie, obgleich völlig klar ist, dass die Gründe dafür in der Politik zu suchen sind. Auch der Arbeitsmarkt spielt hier nachweislich eine große Rolle, der keineswegs mehr für alle etwas zu bieten hat. Von der Lohndrückerei ganz zu schweigen.

Das Sandkorn im Getriebe ist schnell ausradiert

Und weil diese stillen Helden und unrunden Sandkörner im Getriebe dieses Staatsapparates so wichtig sind, wobei uns viele Helden nicht einmal bekannt werden, sollte man in diesem Fall einfach weiter hinsehen und Inge Hannemann den Rücken stärken. Wer das ernstlich will, der kann sich an dieser Stelle einer Petition anschließen, die letztlich nur dem Arbeitgeber zeigen kann, dass es Tausende gibt die ihnen jetzt auf die Finger sehen und weil wir genau solche Menschen in den Ämtern brauchen und nicht die Duckmäuser die dort heute verschwiegen ihren Dienst schieben. Aus den vielen Fällen der Arbeits- und Behördenwelt, in denen kritische Mitarbeiter einfach zwischen Frühstück und Mittag entsorgt werden, können wir nicht lernen, weil sie nicht großflächig an die Öffentlichkeit dringen. Auch dieser Fall, Inge Hannemann, wird bedauerlicherweise bei den großen Medien allenfalls mal einen Dreizeiler wert sein, aber mit den teils offenkundigen Missständen wird sich dort kaum einer auseinandersetzen, zu dick sind da die Freundschaften zwischen Geld und Politik.


Gleichzeitig sollte dies weitere Mitarbeiter in den Jobcentern ermuntern sich selbst Gedanken zu machen und nicht von einer verkommenen Moral leiten zu lassen, die seit der Agenda 2010 mit aller Gewalt hoffähig gemacht wird. 


Meinungsfreiheit doch nur eine Illusion

Das Grundgesetz, Artikel 5, gilt gemeinhin für alle Menschen. Man sollte meinen, auch für Menschen die im „Amt“ arbeiten. Wir zitieren nachfolgend einmal den gesamten Artikel, um zu belegen, dass es wenigstens formal dort keine Hinweise auf Einschränkungen gibt:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Sicherlich mögen sich aus dem Arbeitsrecht andere Konsequenzen ergeben, die sollten aber nach einhelligem Rechtsverständnis dieses hier zitierte Grundrecht nicht aushebeln können, soweit zur deutschen Rechtstheorie.Nichts anderes hat Inge Hannemann für sich in Anspruch genommen (hier ihre Internetseite). Uns ist auch keine Vorschrift bekannt, wonach man als Angestellte(r) in einem Jobcenter verpflichtet sein könnte das SGB II lieb haben zu müssen. Im Gegenteil, es gab mal eine Zeit in Deutschland, da war es gern gesehen kritische Bürger und Arbeitnehmer zu haben, allein um Demokratie und Gesellschaft voranzubringen. So ändern sich wohl die Zeiten und niemand beklagt diese Fehlentwicklung wirklich.

Es gibt auch keine gesetzlichen Regelungen dazu, wenn man seinen Job macht und sich nichts zuschulden kommen lässt, welches eine kritische Meinung unterbinden könnte. Demzufolge müssen wir einmal darüber nachdenken worin die Verfehlungen von Inge Hannemann bestanden haben könnten.


Bildnachweis: Screenshot aus Interview (Autor: Thomas Scheffer | http://videoatonale.blogspot.de/ | aus dem Interview:HARTZ IV – GEWOLLTE ARMUT? Mit Inge Hannemann)

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