Hartz IV: Wie die BA Milliarden verplempert


Verrechnungsschecks mit Mini-Beträgen

Wie die Bundesagentur für Arbeit Kosten “erwirtschaftet” und dabei Milliarden verplempertVon Joachim Weiss

Im Dezember 2010 berichteten wir mehrfach über die rechtswidrige Praxis vieler Jobcenter, die Heizkosten bei Hartz IV um einen gewissen Anteil der Kosten für die Warmwassererzeugung zu kürzen. Mit seinem Urteil vom 15. Dezember 2011 hat das Bundessozialgericht Kassel (BSG, 15. Dezember 2010, Az. B 14 AS 61/09 R) diese Verfahrensweise rückwirkend zum 1 Januar 2006 untersagt. Viele betroffene Hartz-IV Bezieher haben daraufhin einen Überprüfungsantrag (§44 SGB X) bei ihrem Jobcenter gestellt und Recht bekommen. So auch der Autor, der heute mit einer üppigen Scheckflut aus dem Jobcenter Lörrach überrascht wurde.

Die hier angestellte “Nachbetrachtung zum Verfahrensablauf” ist nicht nur zum Beweis dafür geboten, dass den Betroffenen rechtswidrig Leistungen vorenthalten wurden. Sie verdeutlicht auch die unnötigen Kosten, die der Allgemeinheit durch Behördenschmu und unseriöse Berechnungsmethoden entstehen.
Und keineswegs geht es dabei nur um den zusätzlichen Zeitaufwand der SachbearbeiterInnen, die a) die Überprüfungsanträge bearbeiten und b) für jeden fehlerhaften Bescheid einen Änderungsbescheid erlassen müssen.

Der Verfasser hat einen solchen Antrag zur Neuberechnung der Warmwasserkosten am 20. Dez. 2010 beim Jobcenter Lörrach gestellt und wurde zunächst abgewimmelt: Die “Überprüfung der Bescheide für die Bewilligungsbescheide ab dem 1.1.2006 habe ergeben, dass die Bescheide nicht zu beanstanden seien”. In dem daraufhin am 2.2.2011 eingelegten Widerspruch heißt es:

“Sofern Sie sich überhaupt der Mühe unterzogen haben, den dezidiert erläuterten Gegenstand meines Antrags, nebst Angabe aller Aktenzeichen, zur Kenntnis zu nehmen, muss ich annehmen, dass Sie nichts davon verstanden haben. Ich erinnere nur an die willkürliche und rechtlich völlig haltlose Verfahrensweise bei der Aufteilung der Kosten für die Warmwasseraufbereitung in meinen ehemaligen Wohn- und Geschäftsräumen […] Aus Ihrer Begründung geht dazu kein Wort hervor, und ich muss daher annehmen, dass auch keine Überprüfung stattgefunden hat.”

Ein Mitarbeiter der Widerspruchsabteilung hat sich daraufhin tatsächlich die Mühe gemacht, jeden einzelnen Bescheid zu überprüfen und das Ergebnis in einem mehrseitigen Schreiben mitgeteilt, für das ihm vermutlich kein vorgefertigter Textbaustein zur Verfügung stand – kurzum: der Mann musste richtig arbeiten! Ende Februar 2011 stand schließlich fest, dass

»…die Abzüge der Anteile für die Warmwasseraufbereitung für die Zeit ab 1.12.2007 entsprechend den Beträgen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung festgesetzt worden sind. Für die Leistungszeiträume vom […] ergibt sich danach eine Nachzahlung zu Gunsten des Widerspruchsführers in Höhe von insgesamt 9,39 Euro. Diese Bescheide sind nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Der Widerspruch ist zulässig, jedoch nach Erlass der Änderungsbescheide nicht mehr begründet…”

Wenige Tage später lagen 6 Schreiben des Jobcenters im Briefkasten, die jeweils einen 3-6 seitigen Änderungsbescheid enthielten; es ergaben sich insgesamt 7 Nachzahlungen zwischen -,64 Cent und 3,41 Euro. Natürlich mussten diese Schreiben einzeln ausgedruckt, eingetütet, frankiert werden…

Wer kein Geld hat, braucht auch kein Konto
Da der Verfasser in Ermangelung jeglichen Vertrauens in Banken oder Sparkassen schon seit Jahren kein eigenes Konto mehr führt, wird der Zahlungsverkehr mit der Arbeitsagentur per Scheck abgewickelt. Es ist dies eine notwendige persönliche Konsequenz, für die das Jobcenter nicht verantwortlich ist. Trotzdem war die Überraschung groß, als heute (7.5.2011) insgesamt 8 Kuverts mit Postchecks des Bundesagentur für Arbeit im Briefkasten lagen. Wie sich herausstellte handelte es sich um 7 Nachzahlungen zwischen -,64 Cent und 3,41 Euro, sowie einen Scheck über 5,- Euro – vermutlich eine Nachzahlung der Regelsatz-Erhöhung.

Ist das nicht zeitsparend, rationell und fortschrittlich? Natürlich gäbe es die Möglichkeit, diese Centbeträge auch ohne einen einzigen zusätzlichen Check mit den monatlichen Leistungen in einem Betrag auszuzahlen. Nachteil: Dem Empfänger entstünden keine 32 Euro (8×4 Euro) Gebühren für die Scheckeinreichungen (Wert 14,39 Euro). Die Arbeitsagentur hätte dann auch keine Chance, das Geld einfach zu behalten, weil niemand so doof ist, solche Checks einzureichen. Vor allem aber ist es vollkommen zwecklos, sich über diese Verschwendung von Scheckformularen beim Jobcenter zu beschweren, solange es dort 0815-Rechtfertigung aus dem amtlichen Sprechblasenkatalog gibt: “Das ist leider verfahrensbedingt!”

Verfahrensbedingt? Natürlich, was denn sonst. Ein Land, dass sich laut OECD geschätzte Steuerhinterziehungen von 100 Mrd. Euro (pro Jahr) leisten kann, kann auch die Hälfte seines Sozialetats für gravierende Organisationsmängel verplempern – den Banken gönnt man schließlich noch viel mehr, und außerdem ist das alles einfach nur “verfahrensbedingt…” /jowi

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