Hartz IV ist gescheitert, es gibt nur eine Möglichkeit, es zu ersetzen

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Hartz IV muss weg. Das klingt erstmal polarisierend - doch für die über 4 Millionen Hartz IV-Empfänger in Deutschland würde die Abschaffung des Arbeitslosengeldes wohl Aufatmen bedeuten. Denn das Hartz IV-System ist erniedrigend, menschenverachtend und nicht effektiv. Ich weiß das, weil ich selbst lange Zeit im Jobcenter gearbeitet habe.
Die Politik weiß selbst nicht so recht, wohin es mit dem Arbeitslosengeld gehen soll: CDU, CSU und SPD halten am Hartz-IV-Regime fest, die Grünen konkurrieren in der Agenda-2010-Politik zwischen Realo- und linker Politik und die Linke fordert eine sanktionsfreie Mindestsicherung von 1050 Euro.
Teilweise hat die Politik also schon verstanden, dass Hartz IV nicht zukunftsfähig ist.
Und wenn sich diese Überzeugung erst einmal verfestigt, dann stellt sich die Frage: Was kommt nach Hartz IV?

Mindestsicherung und 30-Stunden-Woche



► Eine Alternative wäre durchaus die von der Linken geforderte sanktionsfreie Mindestsicherung.
Danach soll Hartz IV abgeschafft und eine “Mindestsicherung von 1050 Euro” eingeführt werden. Ohne Sanktionen, ohne Kürzungsmöglichkeiten. Um das zu finanzieren, sieht der Programmentwurf eine “gesonderte Reichensteuer” vor.
Wer mehr als 260.000 Euro verdient, müsste 60 Prozent abgeben. Bei einem Einkommen von einer Million Euro steige der Steuersatz noch mal um 15 Prozent an.
Und doch: Die Mindestsicherung wäre nicht bedingungslos und erwartet weiterhin, dass sich Empfänger vor den Ämtern offenbaren. Sie bietet keine Lösung gegen die Stigmatisierung des “faulen, schmarotzenden Hartzers“.
► Eine weitere Alternative wäre deshalb die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn und Personalausgleich, die Prof. Heinz-J. Bontrup für Wirtschaftswissenschaft von der Westfälischen Hochschule fordert.
Damit würden einerseits zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, andererseits  könnten Berufstätige entlastet werden und hätten mehr Zeit für die Familie oder anderes.
Auch, wenn sich die zusätzlichen Arbeitsplätze vermutlich nicht linear in  Deutschland verteilen würden, könnte die Regelung doch in einigen Regionen positive Ergebnisse erzielen. 
► Eine letzte Möglichkeit wäre die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) statt Hartz IV.
Dabei würde jeder Mensch monatlich einen bestimmten Betrag bekommen  – frei von jeder Bedingung. In der Vergangenheit ging es in der Diskussion um das BGE dabei um 1000 Euro. 

Bedingungsloses Grundeinkommen ist mehr als die Flucht aus den Jobcenterschikanen

BGE-Kritiker führen oft an, dass die Idee des BGE meist nur von Erwerbslosen vorgebracht wird, um den Schikanen durch die Jobcenter zu entfliehen. Dieser Punkt ist richtig und wichtig.
Jedem, der das entmündigende und entrechtete Hartz IV-System am eigenen Leib erfahren musste, sei das mehr als gegönnt. Doch ein BGE ist mehr als die Flucht aus den Jobcenterschikanen. Dahinter stehen noch einige weitere positive Aspekte. 
Es gibt bereits einige BGE-Befürworter aus der Unternehmenswelt. Götz Werner, Gründer des dm-Drogeriemarkts, Siemens-Chef Joe Kaeser oder Telekom-Chef Timotheus Höttges sind nur drei von ihnen. 
► Götz Werner fordert dabei die Einführung einer Mehrwertsteuer von 50 Prozent, um die Finanzierung des BGE sicherzustellen.
► Im Gegenzug sollen alle anderen Steuerarten für Einkommen, Lohn und Ertrag wegfallen. Laut Werner würde das für den Staat bei den Steuereinnahmen keinen Unterschied bedeuten.

In der jetzigen Arbeitsmarktpolitik steht und fällt der Mensch mit seiner Arbeit

Sein Ansatz ist konstruktiv. Wir müssen von Armut Betroffene gezielter unterstützen – und können dafür auch reiche Menschen stärker zur Kasse bitten.
Damit würden sich die derzeitigen Machtverhältnisse zwischen arm und reich verschieben. Das würde den Sozialstaat nicht abbauen, sondern nur verändern, wenn nicht gar positiv weiterentwickeln.
Dahinter steht die erweiterte Frage nach dem Begriff der Arbeit und dessen Bedeutung. Wir müssen erkennen, dass der Mensch in der jetzigen Arbeitsmarktpolitik mit seiner produktiven Arbeit steht oder fällt.
Reproduktive Arbeit, wie die Pflege eines Angehörigen oder auch Familienzeit, werden bis heute als privates Hobby angesehen und gelten damit oft als minderwertig.
Gleichzeitig werden genau diese Menschen, besonders in den Jobcentern oder auf dem freien Arbeitsmarkt, diskriminiert, indem man ihnen diese Tätigkeit vorwirft und kaum Chancen zur Wieder-Erlangung eines Arbeitsplatzes einräumt.
Der Verlust der eigenen Wertigkeit wird damit gefördert. Genauso wie die Konkurrenz, in welcher sich der Starke gegenüber dem Schwachen durchsetzen soll.
Für den Hartz-IV-Leistungsberechtigten bedeutet dies, er ist an seiner Misere selbst schuld, weil er nicht in der Lage ist, einen Arbeitsplatz zu finden oder sich durchzusetzen.

Wer nur aufsteht, weil er das Geld braucht, wird wenig mit seiner Arbeit zufrieden sein

Ein BGE könnte den betriebswirtschaftlichen und kapitalistischen Tunnelblick in Teilen auflösen.
Markt, Leistung und Konkurrenz dürfen eben nicht verabsolutiert werden. Und davon sind nicht nur Erwerbslose betroffen, sondern auch alle Erwerbstätigen, die sich mit ihrer Arbeit nicht mehr identifizieren können oder weit über ihre körperlichen Möglichkeiten arbeiten müssen – bevor sie in Hartz IV rutschen.
► Wer nur aufsteht, weil er das Geld braucht, wird wenig mit seiner Arbeit zufrieden sein.
► Das Motto: “Hauptsache Arbeit“ wird mit fehlender Identifizierung, Über- oder Unterforderung in der Tätigkeit so zu einer Wipp-Balance, in der meistens die Arbeitgeber auf Kosten der Arbeitnehmer gewinnen.
Schließlich stehen genug Bewerber vor der Tür.

Bedingungsloses Grundeinkommen ist eine Alternative

Die Alternative des Bedingungslosen Grundeinkommens stellt uns als Mensch in den Mittelpunkt und nicht nur unsere Arbeitskraft.
Sie setzt voraus, den Menschen als Menschen zu sehen und nicht als Kapital. Dazu ist es jedoch notwendig, dass wir den Begriff “Arbeit“ neu definieren und  uns selbst damit auch. 
Produktive Arbeit sollte nicht das Maß aller Dinge sein – Reproduktive Arbeit ist mindestens ebenso wichtig und wertvoll und muss als solche auch genauso in unserer Gesellschaft anerkannt werden. 
Ein Leben in Würde steht jedem zu. Mit einem BGE wäre es möglich. 

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